Die etwas andere liberale Stimme aus der Hansestadt Lübeck

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Hanseschule: FDP übt sich in „politischer Geschmeidigkeit“

In Allgemein on 17. Februar 2011 at 09:02

Hanseschule in der Fischstraße (Quelle: Hanseschule)

Einmal mehr überraschen die Lübecker Liberalen durch ihre politische  „Geschmeidigkeit“. Als Antwort auf die „Kostenexplosion“ bei der geplanten Sanierung des derzeitigen Gebäudes der Emil-Possehl-Schule in der Dankwartsgrube fordert FDP-Fraktionschef Thomas Rathcke jetzt den Neubau eines Schulgebäudes für die „Hanseschule“ außerhalb der Innenstadt (HL-Live, hier). Eigentlich ist von der Verwaltung der Umzug der Schule mit 2500 Berufsschülern von der Fischstraße in die Dankwartsgrube geplant.  Der Vorstoß verwundert, denn im FDP-Kommunalwahlprogramm (2008 bis 2013) heißt es noch unter dem Stichwort „Stadtplanung“:

 Die FDP . will die in der Innenstadt verbliebenen städtischen Behörden und Einrichtungen dort belassen und bei Standortveränderungen wieder in der Innenstadt ansiedeln.

Sollte die Lübecker FDP sich dann womöglich noch dem Vorstoß der CDU anschließen, die noch in der Innenstadt befindlichen städtischen Dienststellen (ebenfalls in einem teuren Neubau) auf der Wallhalbinsel zusammenzuziehen, wäre im Realisierungsfall die City erneut um wesentliche städtische Einrichtungen ärmer. Zu dem Ziel der „Vitalisierung der Innenstadt“ im FDP-Programm passt denn auch die Aussicht auf „weiteren seniorengerechten Wohnraum“ in der Dankwartsgrube wunderbar.

Im Übrigen erscheint es doch angesichts der bisherigen Erfahrungen mit städtischen Bauprojekten recht verwegen, davon auszugehen, dass „ein geplanter Neubau der Schule unter günstigen Bedingungen etwa 22 Millionen Euro kostet“ (Rathcke). Schließlich ging die Bauverwaltung 2009 beim geplanten Umbau des Gebäudes Dankwartsgrube auch von „günstigen Bedingungen“ aus und errechnete Kosten i.H.v. 8,6 Mio. Euro. Jetzt belaufen sich die Schätzungen auf fast 16 Mio. Euro!

„Psycho-Erlass“ für G9: Für den eigentlichen Skandal sorgte Herr Kubicki!

In Allgemein on 9. Februar 2011 at 12:00

Dieser Tage steht einmal mehr Schleswig-Holsteins Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP) im Kreuzfeuer der Kritik. Die Opposition fordert gar massiv seinen Rücktritt. Dabei ist der Anlass, zumal gemessen an den sonstigen Fehlleistungen aus dem Hause Klug, eher geringfügig. In der Sache geht es um einen Erlass an die Gymnasien des Landes, die sich dazu entschließen, künftig ausschließlich oder alternativ das sog. „Langsam-Abitur“ nach neun statt acht Jahren anzubieten. Da dies voraussichtlich nur wenige Gymnasien betrifft (dem Vernehmen wollen landesweit nur etwa 10 der 100 Gymnasien G9 anbieten), sind Kapazitätsengpässe absehbar. Wie sollen also die knappen G9-Plätze gerecht verteilt werden, wenn es mehr Schüler-Anmeldungen als Plätze gibt? Genau diese Frage sollte der (inzwischen zurückgezogene) Erlass regeln.  Wenn an dem betreffenden Gymnasium nicht für alle für G9 angemeldeten Kinder Schulplätze zur Verfügung stehen, sollten „jene Kinder bevorzugt werden, deren Eltern mit einem ärztlichen Attest nachweisen, dass der „physische oder psychische Gesundheitszustand des Kindes eine längere Lernzeit notwendig macht“. Daraus titelte dann die Presse: „Langsam-Abitur nur gegen Psycho-Attest?“  – und schon war der Skandal da.

Dabei erweist sich bei näherem Hinsehen die Sache als weit weniger skandalös. Schließlich ist es zurecht z.B. an „überlaufenen“ (vormaligen) Gesamtschulen jahrelange, gängige Praxis, ein Auswahlverfahren durchzuführen, in dem u.a. eine bestimmte Zahl von Schulplätzen für Härtefälle reserviert sind (vgl. z.B. das Aufnahmeverfahren an der Lübecker Geschwister-Prenski-Schule, hier). Ärztlich attestierte physische oder psychische Besonderheiten finden hier selbstverständlich Berücksichtigung, ohne dass dies bisher irgendjemand als anrüchig empfunden hätte.

Für den eigentlichen Skandal hat nicht der Bildungsminister, sondern dessen Parteifreund und FDP-Fraktionsvorsitzender im Landtag, Wolfgang Kubicki, gesorgt. Dessen Versuch, die Schuld an dem Erlass auf „die sozialdemokratisch durchzogene Ministerialbürokratie“ im Bildungsministerium zu schieben (vgl. LN-Online vom 05.02.2011, hier), ist  einfach nur dümmlich, weil von keinerlei Sachkenntnis getrübt. In einem Ministerium gibt die Hausspitze den politischen Ton an. Das weiß jeder Mitarbeiter und wird regelmäßig von diesen auch respektiert. Selbst wenn einem Bediensteten einmal diese professionelle Einstellung abhanden kommen und die persönliche  politische Einstellung die Oberhand gewinnen sollte, gibt es gleich mehrere politische Filter: Jeder politisch bedeutsame Erlass wird als „Leitungsvorlage“ vom Leiter des Ministerbüros und dem Staatssekretär abgezeichnet, bevor er den Minister erreicht. Beide haben in aller Regel das selbe Parteibuch wie der Ressortchef. Herr Kubicki hat sich mit seiner Kritik damit selbst disqualifiziert und seinem Parteifreund Klug  einen Bärendienst erwiesen. Der Bildungsminister musste denn auch gestern prompt kleinlaut zugeben, dass er den umstrittenen Erlass selbst abgezeichnet hatte (vgl. LN-Online vom 09.02.2011, hier). Eines zeigt dieser Vorgang ganz deutlich: Wer Herrn Kubicki zum Parteifreund hat, braucht ganz gewiss keine Feinde mehr!

Demo gegen Rechts: Warum ich nicht mitmarschieren werde

In Allgemein on 8. Februar 2011 at 09:00

Alle Jahre wieder das gleiche Bild: Neo-Nazis nutzen den Jahrestag des Luftangriffs der Royal Air Force auf die Hansestadt Lübeck in der Nacht zum Palmsonntag (28./29. März) 1942 zu einem Marsch durch die Stadt. Im letzten Jahr kamen laut „Lübecker Nachrichten“ (hier) etwa 250 Rechtsextremisten (andere sprechen von 160, hier) von nah und fern angereist, um in Lübeck zu demonstrieren. Natürlich bleiben Gegendemonstrationen nicht aus, was grundsätzlich natürlich sehr zu begrüßen ist, denn jeder aufrechte Demokrat kann gewiss nur Abscheu über diese schamlose Ausnutzung des für eine historische Stadt wie Lübeck naturgemäß besonders schmerzlichen Kriegsereignisses durch unverbesserliche Neo-Nazis empfinden. Braunes Gedankengut hat in einer Demokratie nichts verloren – linksextremistisches allerdings auch nicht.

Wobei wir beim Thema wären. Vor Jahren (genauer: 2005) hat sich in Lübeck das sogenannte Bündnis „Wir können sie stoppen“  als Sprachrohr und Haupt-Organisator der Gegen-Demos gebildet und sich mittlerweile als solches etabliert. In diesem Bündnis arbeiten laut eigenen Angaben (hier) neben durchaus respektablen gesellschaftlichen Organisationen wie dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der Lübecker SPD und evangelischen Kirchenorganisationen auch Gruppierungen regelmäßig mit, die vom Verfassungsschutz als linksextremistisch oder aber linksextremistisch unterwandert eingestuft werden:  „Avanti – undogmatische Linke“ (hier), „Basta – Linke Jugend“ (hier), „Lübecker Bündnis gegen Rassismus“ (hier) und „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (hier). Ferner finden sich als regelmäßige Mitstreiter Vereine oder Gruppen mit wenig demokratieverheißenden Namen wie „Radikale Linke Lübeck“, „Roter Stern Lübeck“ und „Anarchist Federation“. Auf ihrer Internet-Seite (hier) zählt das Bündnis „Wir können sie stoppen“ stolz die „Organisationen und Einzelpersonen“ auf, die „den diesjährigen Aufruf als ErstunterzeicherInnen“ unterstützen. Dabei sind u.a. ebenfalls nach Einschätzung des Verfassungsschutzes als linksextremistisch eingestufte Gruppierungen wie Deutsche Kommunistische Partei (DKP, hier) und Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ, hier). 

Ich hatte bereits in meiner Zeit als Mitglied der Lübecker Bürgerschaft mit einer gewissen Fassungslosigkeit zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich selbst die sog. bürgerliche Partei CDU scheut, offen „Nein“ zu sagen, wenn es um die öffentliche Aufforderung geht, Seit‘ an Seit‘ mit dem Bündnis „Wir können sie stoppen“ gegen den alljährlichen Neo-Nazi-Aufmarsch zu demonstrieren. Dabei ist im Verfassungsschutzbericht des Landes Schleswig-Holstein für 2009 (Seite 92, hier) Folgendes zu lesen:

Auch 2009 wurde am 28. März dagegen mit einer „antifaschistischen“ Demonstration unter dem Motto „Wir können sie stoppen! Kein Nazi-Aufmarsch in Lübeck!“ protestiert. Es hatte sich ein breit gefächerter Widerstand gebildet. Ein Bündnis aus Kirchenvertretern, Gewerkschaften, Parteien, bürgerlichen, aber auch linksextremistischen Gruppierungen hat dabei eine führende Rolle in der Gegenmobilisierung eingenommen. Wie in den Vorjahren spielte erneut die Lübecker Ortsgruppe der linksextremistischen Gruppierung „Avanti – Projekt undogmatische Linke“ bei der Gesamtorganisation eine dominierende Rolle.

Vor ein paar Tagen musste ich mich mit Vorhaltungen auseinandersetzen, weil ich  in einem „virtuellen Netzwerk“ eine Einladung, bei der vom Bündnis „Wir können Sie stoppen“ organisierten Demo mitzumachen, wie folgt beantwortet hatte: „Mir hat es letztes Jahr definitiv gereicht, an der Seite von Linksextremisten zu marschieren! Für mich nie wieder!“ (Anmerkung: Damals musste ich quasi gegen meine Überzeugung als FDP-Fraktionsvorsitzender in der Lübecker Bürgerschaft mitdemonstrieren.) Bei einer Demonstration, zu der alle aufgerufen werden, müsse man damit rechnen, das dort auch Linksextremisten auflaufen werden, so der Hinweis des „Beschwerdeführers“. Weiter: „Dies wird wohl bei beinahe jeder Demonstration sein. Doch finde ich es nicht in Ordnung, dass Sie sich von ein Paar Extremisten von dem eigentlichen abhalten lassen.“ So mag mancher es sehen.

Zwischen den vielen Demos, bei denen in der Tat nicht auszuschließen ist, dass der eine oder andere Extremist mitmarschiert, und der jährlichen Gegendemo in Lübeck gibt es aber leider einen entscheidenden Unterschied: In Lübeck werden im Kreise der Demonstranten Linksextremisten im dahinter stehenden Bündnis mit „offenen Armen empfangen“, so dass es hier um offene Solidarisierung mit (und damit Verharmlosung von) linksextremistischen Gruppen geht und nicht etwa nur um die zufällige Anwesenheit von „ein paar Extremisten“.

Deshalb sage ich ganz offen:  Mit mir nicht! Und ich genieße es, nebenbei bemerkt, meine diesbezügliche Meinung so offen kundtun zu dürfen, ohne auf irgendwelche partei- oder wahltaktischen Erwägungen Rücksicht nehmen zu müssen. Dabei fühle ich mich mit meiner Meinung im Übrigen in bester Gesellschaft, denn ich bin mir ganz sicher, dass die überwiegende Mehrheit der Lübeckerinnen und Lübecker ganz ähnlich denkt wie ich. Aber das hat unsere Lübecker Parteien ja noch nie sonderlich gestört. Deshalb wird es vermutlich auch in diesem Jahr wieder eine breite Zustimmung in der Bürgerschaft zu einem Resolutionsentwurf zugunsten der Teilnahme an der maßgeblich von Linksextremisten gesteuerten Demo gegen Rechts geben. Nun gut, sollen sie’s beschließen…