Heute berichten die „Lübecker Nachrichten“ von einem „Verkehrschaos in der City“. Ausgelöst wurde dieses durch die Umwandlung der Schmiedestraße in eine Sackgasse. Dankenswerterweise erinnerte sich die Zeitung auch daran, dass die FDP als einzige Bürgerschaftspartei die geplante Verkehrsführung kritisiert hatte. „Ex-Fraktionschef Thomas Schalies“ habe „schon im April“ vor einem Dauerchaos gewarnt – hier irren die LN. Tatsächlich hatte ich für die FDP-Fraktion schon viel früher die Verkehrspläne kritisiert, nämlich u.a. Mitte Februar und Anfang Mai 2009, was freilich eigentlich auch schon viel zu spät war, wie ich durchaus selbstkritisch anmerken muss. Immerhin reichte auch diese späte Ablehnung der Sackgassen-Lösung für die Schmiedestraße noch zum Alleinstellungsmerkmal für die FDP. Keine andere Bürgerschaftsfraktion traute sich, den sich anbahnenden und eigentlich für jeden halbwegs normal Denkenden leicht erkennbaren Unfug auch deutlich so zu benennen. Selbst manche „Parteifreunde“ zauderten. Ein maßgeblicher Grund hierfür war der Umstand, dass von den klammheimlichen Anhängern einer – unter diesem Begriff nicht mehrheitsfähigen – „autofreien Innenstadt“ sehr geschickt immer wieder betont worden war, dass die „Kappung“ der bisherigen Verkehrsachse Schmiedestraße – Pferdemarkt ja nicht ihre Idee, sondern ausdrücklicher Wunsch der Bürgerinnen und Bürger gewesen sei. Und gegen den erklärten Willen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger aufzubegehren, scheut sich natürlich jede Partei, will sie doch irgendwann wiedergewählt werden (gerade die Lübecker CDU kann hiervon ein Lied singen, nachdem sie bei der letzten Kommunalwahl wegen ihrer starrsinnigen Schulpolitik böse abgestraft wurde)!
Aber haben hier die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt tatsächlich entschieden, wie insbesondere die rot-rot-grünen Verfechter der Neuregelung immer behaupten? Tatsächlich entsprang der Vorschlag der sog. „Perspektivenwerkstatt“ für das Projekt „Mitten in Lübeck“. Wobei der Begriff „Werkstatt“ an sich schon irreführend ist, da man hierunter landläufig doch eher einen Hort mit einem geschlossenen Kreis von dort tätigen Fachleuten versteht, die sich zur Aufgabe gemacht haben, handwerklich geprägte Produkte herzustellen oder Wartungen und Instandsetzungen vorzunehmen. Oder würden Sie Ihr defektes Auto einer „Werkstatt“ anvertrauen, in der sich eher wahllos und zufällig Personen unterschiedlicher Herkunft und Profession zusammenfinden, die dann mehrheitlich darüber entscheiden, ob die Bremsbeläge Ihres Autos es noch tun oder sie vielleicht doch besser geölt oder – noch besser – erneuert werden sollten?
Ganz ähnlich verhielt es sich aber bei der sog. „Perspektivenwerkstatt“, die praktisch allen Bürgerinnen und Bürgern zur Mitarbeit offenstand. Das an sich ist ja im Sinne einer frühzeitigen Bürgerbeteiligung mehr als löblich und begrüßenswert. Gefährlich wurde die Sache allerdings in dem Moment, als die Verkehrsplaner der Stadt (von denen manch’ einer bereits unter Alt-Bürgermeister Bouteiller treu gedient hat) anfingen, die dortigen Meinungsäußerungen als Wünsche „der“ Lübecker zu deklarieren – obwohl doch tatsächlich nach amtlichen Angaben „nur“ über 500 Menschen in der „Werkstatt“ mitgearbeitet hatten – einschließlich „Verbandsvertretern und Fachplanern bis hin zu hochrangigen Politikern“, wie die amtliche Ergebniszusammenfassung der Stadt betont. Mögen die dortigen Teilnehmer/innen auch noch so engagiert gewesen sein, aber repräsentieren sie tatsächlich die Mehrheit der fast 176.000 wahlberechtigten Lübeckerinnen und Lübecker? Die Frage ist natürlich rein rhetorisch, denn für eine derartige Annahme gibt es auch nicht den Hauch eines Beleges.
Das Beispiel „Schmiedestraße“ (und ähnlich auch das der erfolgten Teilsperrung der Friedenstraße) zeigt, dass sich (Kommunal-) Politiker auf einem verhängnisvollen Irrweg befinden, wenn sie glauben, einem von vielen als solchen erkannten Unfug nicht entgegenzutreten können, weil (einzelne) Bürger oder Interessengruppen, ggf. unterstützt durch die Verwaltung und besonders lautstarker Ideologen einzelner Parteien, für sich reklamieren, die Mehrheit zu repräsentieren. Gerade in derartigen Fällen ist politisches Rückgrat besonders gefragt!
Ich bin sehr gespannt, ob sich bis zur nächsten Kommunalwahl derartiges Rückgrat noch in der Bürgerschaft herauskristallisiert – oder ob es geboten erscheint, durch Gründung einer neuen Wählergemeinschaft „frischen Wind“ in verkrustete Stukturen zu bringen!